Ist Sehnsucht eher treibender Motor oder toxische Bremse? Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, im Zwielicht. Wie alles Menschliche, so ist auch die Sehnsucht komplex. In Teil I hast Du gelesen, was Sehnsucht alles sein kann. In diesem Artikel geht es darum, die Entstehung von Sehnsucht näher zu beleuchten. Um das Mangelgefühl, Sucht und Schicksal.

Zwielicht am See

Mangelgefühl

Wonach sehnst Du Dich? Wie kommt es, dass es Dich manchmal vor Verlangen fast zerreißt? Woher kommt dieses Gefühl?

In jedem Fall steht fest, dass das Sehnsuchtsobjekt, die Person, oder der ersehnte Zustand gerade nicht verfügbar für Dich ist. Sobald Du es haben könntest, verfliegt die Sehnsucht.

Und in jedem Fall bist Du unglücklich. Sehnsucht ist also ein Gefühl des Mangels. Du konzentrierst Dich auf das, was nicht ist. Etwas fehlt, ist fehlerhaft. Mangelware, Mängelexemplar, Mangelerscheinungen. Dein Fokus ist fehlerorientiert. Ursprünglich wurde Sehnsucht als schmerzliche Krankheit definiert. Vielleicht ist sie etwas wie eine schlechte Angewohnheit. Angeboren ist es auf jeden Fall nicht sich schmerzlich zu sehnen.

Sehnsucht- sich Sehnen und die Sucht

Das Wort Sehnsucht enthüllt bei genauerer Betrachtung eine unangenehme Dimension. Das „sich Sehnen“ und die „Sucht“.

Sehnen“ als Verb bedeutet innig, schmerzlich nach etwas oder jemandem zu Verlangen. Es ist reflexiv, also auf sich selbst bezogen (sich sehnen). Da drängt sich die Frage auf: Wie sehr geht es dabei in einem romantischen Sinne wirklich um die andere Person?

Sucht“ bedeutet, einen Hang zu zwanghaften Gewohnheiten zu haben, bzw. eine Abhängigkeit von diesem Verhalten. Suchtverhalten bezieht sich oft auf verschiedene Substanzen (z.B. Alkohol, Tabletten), es gibt aber auch viele andere Süchte, wie zum Beispiel Spielsucht oder Magersucht. Sucht ist eine Fehlregulierung im Gehirn, welche (in unterschiedlichem Ausmaß) Körper und Seele zerstört.

Sehnsucht bedeutet demnach, der zwanghaften Gewohnheit zu unterliegen, schmerzlich nach etwas oder jemandem zu verlangen.

Hast Du zum Beispiel eine starke Beziehungssehnsucht, bist aber momentan single, so kann dieses zwanghafte Gefühl Dich dazu verleiten, ständig die große Liebe erzwingen zu wollen. Dir geht es dann kaum noch um die andere Person und Du verlierst sogar den Kontakt zu Dir selbst, zu Deinem Selbstwert, zu Deiner Würde.

So betrachtet wäre es durchaus angebracht Sehnsucht mit dem aktuellen Modewort „toxisch“ in Verbindung zu bringen. Ein toxischer Gefühlscocktail, dem Du vielleicht lieber mit Vorsicht begegnest.

Eifersucht kann Sehnsucht verstärken. Wenn Du Dich zum Beispiel nach einer Person sehnst, die gerade mit jemand anderem Zeit verbringt, kann das Gefühl der Unerreichbarkeit noch weiter steigen. Ganz zu schweigen von den schmerzlichen Gefühlen, die sich vervielfältigen.

Schicksalhaftes sich Sehnen

Einige Menschen stehen auf Tragik und Drama (mich eingeschlossen) und sind daher leicht zu begeistern für intensive Gefühle jeder Art. So kann es vielleicht im Kern zerstörerischen Phänomenen wie Sehnsucht möglich werden, in schillerndem Gewand Bühnen zu betreten und viel Applaus für ihre bewegenden Auftritte zu bekommen.

Als vom Schicksal vorherbestimmte Angewohnheit musst Du tragischerweise immer wieder diese Sehnsucht fühlen. Wenn Du genug Drama in Dir spürst, kannst Du Dich immer wieder diesem intensiven Gefühl hingeben. Immer wieder in das Mangelgefühl eintauchen. Aber wohin kann es Dich führen? Kann Dich dieses Gefühl antreiben? Oder ist es am Ende doch eher eine Bremse? Hindert es Dich vielleicht daran, ein Leben in Fülle in der Realität überhaupt für möglich zu halten?

Schreib gern einen Kommentar darüber, was Dir dazu einfällt.

Wohin kann Sehnsucht führen? Erfahre in Teil III mehr über Selbstermächtigung und ob Dich Sehnsucht vom Wollen zum Machen führen kann. Was Sehnsucht alles ist, kannst Du in Teil I nachlesen.